V2X - dem bidirektionalen Laden gehört die Zukunft

Elektroautos werden zu Powerbanks und entlasten die Stromversorgung: Unser nĂ€chster grosser Schritt zu mehr Nachhaltigkeit. Wissenswertes ĂŒber den einzigartigen Test mit 50 Mobility-Autos.

Ein Problem wird zur Lösung – mit V2X

Eins ist klar: Wir mĂŒssen nachhaltiger leben. Und zwar alle. Wenn wir die ErderwĂ€rmung so gering wie möglich halten wollen. Darum setzen wir zu 100% auf E-MobilitĂ€t. Bis spĂ€testens 2030 werden all unsere rund 3'000 Fahrzeuge elektrisch sein. Die zunehmende E-MobilitĂ€t ist zwar ein positiver Trend, verstĂ€rkt aber ebenso den ElektrizitĂ€tsbedarf und wird Herausforderungen in der NetzstabilitĂ€t mit sich fĂŒhren. Schon in den nĂ€chsten Jahren könnten Blackouts absehbar sein, insbesondere in den Wintermonaten. Das Projekt «V2X Suisse» will mit vereinten KrĂ€ften fĂŒr Lösungen sorgen.

Autos mit richtig Power

Die grundlegende Idee beim bidirektionalen Laden besteht darin, dass Elektroautos nicht nur Strom verbrauchen, sondern auch Strom ins Netz zurĂŒckspeisen können, wenn sie gerade nicht gefahren werden. Dazu sollte man wissen, dass ein Privatauto im Durchschnitt am Tag bis zu 23 Stunden rumsteht. Die sogenannten «Stehzeuge» werden also zu mobilen Powerbanks, die sich zu einem grossen Energiespeicher zusammenschliessen lassen, Ă€hnlich einem Stausee. So können Haushalte quasi den Strom in Spitzenzeiten von den Elektroautos abzapfen, wĂ€hrend diese sich ĂŒber Nacht zu einem gĂŒnstigeren Tarif wieder komplett aufladen. Ein Auto mit 11 Kilowatt Leistung liefert in einer Stunde mehr Strom als ein Schweizer Haushalt am Tag durchschnittlich verbraucht.

Ein einzigartiger Test

Dies ist der erste grossflÀchige Test seiner Art. Seit September 2022 bis MÀrz 2024 sind 50 «Honda e» an 40 Mobility-Standorten in der ganzen Schweiz im Einsatz. Zum ersten Mal können bidirektional-ladende Serienelektroautos flÀchendeckend im MobilitÀtsalltag genutzt werden.
 

Das Testmodell im internationalen Vergleich:

  • Bislang gab es noch keinen vergleichbaren Test mit 50 Fahrzeugen – andere Projekte setzen auf eine deutlich geringere Anzahl
  • FlĂ€chenmĂ€ssige Verteilung von 40 Standorten auf das ganze Land – bislang wurden die Tests auf nur einen Standort oder eine Stadt beschrĂ€nkt
  • Das Versuchsmodell setzt auf zertifizierte Serienprodukte im Normalbetrieb (Ladestation und Fahrzeug auf CCS-Basis) – keine geschulten Benutzer, Laborbetrieb oder Prototypen
  • Die StromflexibilitĂ€t wird gleichzeitig drei verschiedenen Abnehmern angeboten (Netzregulation, lokale EVU und ZEV) – bislang wurde immer nur mit einem Abnehmer getestet

Begriffe

V2H (Vehicle-to-home)

Bidirektional ladefĂ€hige E-Autos können nicht nur elektrische Energie zu Fahrzwecken speichern, sondern auch wieder in das Haus zurĂŒckspeisen. Vehicle-to-home ermöglicht somit die Versorgung des eigenen Haushalts mit der gespeicherten elektrischen Energie aus dem eAuto. Die gesamten Lade- und RĂŒckspeisevorgĂ€nge finden hinter dem HauszĂ€hler statt und wird hĂ€ufig eingesetzt um die Eigenversorgungsquote mittels Solarstromanlagen zu steigern.

V2B (Vehicle-to-building)

Wie bei Vehicle-to-home können bidirektional ladefĂ€hige E-Autos nicht nur elektrische Energie zu Fahrzwecken speichern, sondern auch wieder in das GebĂ€ude mit mehreren BezĂŒgern zurĂŒck speisen. Vehicle-to-building ermöglicht somit die Versorgung des eigenen Mehrfamilienhauses oder Gewerbe-/Industriebetriebes mit der gespeicherten elektrischen Energie aus dem eAuto, oft auch als Teil einer eAutoflotte. ZusĂ€tzlich können durch Peak-Shaving gebĂ€udeinterne Lastspitzen gekappt werden. Die gesamten Lade- und RĂŒckspeisevorgĂ€nge finden hinter dem elektrischen GebĂ€udeanschluss statt.

V2G (Vehicle-to-grid)

Bidirektional ladefĂ€hige eAutos können nicht nur elektrische Energie aus dem Netz entnehmen, sondern als Teil eines intelligenten Energiesystems auch wieder in das Netz einspeisen. Dieser Vorgang wird durch Signale des Verteil- oder Übertragungsnetzbetreibers gesteuert und kann sowohl auf öffentlichen LadeplĂ€tzen als auch innerhalb von GebĂ€uden ĂŒber den Netzanschluss erfolgen. Die V2G Lade- und EntladevorgĂ€nge einer grösseren Anzahl von E-Autos (Pooling) dienen im Energiehandel und zu Stabilisierungszwecken als Dienstleistungen sowohl im Verteil- als auch im Übertragungsnetz. Vehicle-to-grid ermöglicht somit die intelligente Sektorenkopplung.

V2X (Vehicle-to-everything)

V2X gilt als Sammelbegriff fĂŒr alle obigen Anwendungen und drĂŒckt auch die kombinierte Anwendung mehrerer Betriebsarten aus. So können z.B. bidirektional ladefĂ€hige eAutos in einer Einstellhalle einer grösseren Liegenschaft sowohl zur Eigenverbrauchoptimierung und fĂŒr Peak-Shaving Zwecke (V2B) als auch zum Erbringen von Netzdienstleistungen (V2G) verwendet werden. Die autonome Versorgung von Einzelverbrauchern und Inselnetzen wie auch das Laden anderer eAutos vervollstĂ€ndigen das Bild.

HĂ€ufige Fragen

Wie weit ist die bidirektionale Ladetechnologie?

Es gibt erste Hersteller in der Schweiz und international, welche technisch ausgereifte bidirektionale Ladestationen mit CHAdeMO Steckern auf den Markt gebracht haben. Diese sind im Vorfeld in mehrjĂ€hrigen Versuchen ausfĂŒhrlich getestet worden. Das bidirektionale Laden ĂŒber CCS Stecker wird momentan erst von einem Schweizer Fabrikat ermöglicht. In Japan wiederum ist die bidirektionale Ladetechnologie seit Jahren bei jedem Elektromobil Pflicht.

Ist bidirektionales Laden in der Schweiz erlaubt?

GrundsĂ€tzlich ist bidirektionales Laden mit dem Betrieb stationĂ€rer Batterien gleichzusetzen. Falls die Ladeinfrastruktur die VSE Empfehlung Netzanschluss fĂŒr Energieerzeugungsanlagen (NA-EEA) und der technischen Normen fĂŒr elektrische Sicherheit und elektromagnetische VertrĂ€glichkeit, ist sie bei der Anmeldung beim Verteilnetzbetreiber bewilligungsfĂ€hig. Ab 01.01.2022 können bidirektionale Ladestationen regulĂ€r mittels aktualisiertem technischem Anschlussgesuch (TAG) angemeldet werden.

Können alle Elektromobile bidirektional geladen werden?

Nein, leider noch nicht. GrundsĂ€tzlich können alle japanischen Elektrofahrzeuge bidirektional laden, weil dies vom japanischen Staat vorgeschrieben ist. Möglich ist bidirektionales Laden vor allem bei Fahrzeugtypen mit CHAdeMO, in einem Fall jedoch auch mit CCS Schnelladekabel. Generell benötigt bidirektionales Laden die Genehmigung des Fahrzeugherstellers und die Zertifizierung der Ladestation fĂŒr den jeweiligen Fahrzeugtyp.

In der Schweiz verfĂŒgbare Steckerfahrzeuge fĂŒr bidirektionales Laden (Stand August 2021):

Fahrzeug

Stecker

Nissan Leaf, e-NV-200 (Lieferwagen) und EVALIA (Kleinbus)CHAdeMO
Mitsubishi i-MiEV, Outlander und Eclipse CrossCHAdeMO
Peugeot iOn und Citroën C-ZeroCHAdeMO
Honda eCCS

Mehrere Fahrzeughersteller haben fĂŒr die nahe Zukunft die Belieferung des Marktes mit bidirektional ladbaren Elektromodellen angekĂŒndigt. Generell ist mit der EinfĂŒhrung einer internationalen Norm bis 2025 zu rechnen, welche auch das bidirektionale Laden mit CCS Ladesteckern verbindlich regeln wird.

Schadet bidirektionales Laden meiner Fahrzeugbatterie?

Jahrelange Praxis und wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Lithiumbatterien sehr robust sind. Ausserdem haben die neuesten technischen Entwicklungen eine nochmals erhöhte Lebensdauer der Batterien zur Folge. Da die Entladeleistung beim bidirektionalen Laden im Vergleich zum Fahrbetrieb viel geringer ist (Faktor 10 und mehr), ist die zusĂ€tzliche Alterung der Batterie Ă€usserst gering. Die Zulassung von Fahrzeugmodellen fĂŒr den bidirektionalen Ladebetrieb durch deren Hersteller beinhaltet auch die Beibehaltung der vollstĂ€ndigen Garantieleistungen.

Was bedeuten bidirektionale Ladestationen fĂŒr die bestehende Stromnetz-Infrastruktur des betreffenden GebĂ€udes?

Durch die Zwischenspeicherung und gezielte RĂŒckspeisung ins GebĂ€ude von selbst produzierten Solarstrom wird die Eigenverbrauchsquote einer Liegenschaft oder eines Areals mit Photovoltaikanlage erhöht und somit die Bezugskosten elektrischer Energie vermindert. Der bidirektionale Anschluss von Fahrzeugen ermöglicht ausserdem den Abbau von Leistungsspitzen, indem die Batterien lastgesteuert entladen werden. Durch diese RĂŒckspeisung werden fĂŒr den Anwender eine Reduktion der Netzkosten durch Einsparungen beim Leistungstarif erzielt. Bei einer grösseren Anzahl zurĂŒckspeisender Fahrzeuge kann die Ladeleistung der Ladeinfrastruktur sogar ĂŒber die KapazitĂ€t der installierten Anschlussleistung gehoben werden.

Was kann V2X zur StabilitÀt der Stromversorgung beitragen?

Durch gebĂŒndeltes Laden und Entladen von Fahrzeugen können Überlastungen des Netzes z.B. durch unregelmĂ€ssig einspeisende Solarstrom- oder Windkraftanlagen abgebaut werden. 100'000 ans Netz angeschlossen Elektrofahrzeuge mit je ±10 kW stellen z.B. eine dezentrale Regelleistung von ±1 GW dar. Dies entspricht der Leistung des grössten Schweizer Pumpspeicherwerks Limmern. Die HĂ€lfte der in den 100'000 Batterien speicherbaren Energie reicht aus, um 200'000 durchschnittliche EinfamilienhĂ€user einen Tag lang mit Strom zu versorgen.

Ohne Partner geht es nicht

Wie «V2X» in einer realen Umgebung funktioniert, zeigt ein Besuch beim Tessiner Verteilnetzbetreiber Azienda Elettrica di Massagno (AEM). Im Tessin wurden verschiedene HĂ€user zu einem Zusammenschluss zum Energieverbrauch verknĂŒpft. Hier erfĂ€hrst du, wie die Überproduktion aus Fotovoltaikanlagen tagsĂŒber in den Batterien der Autos gespeichert wird. Abends, wenn die PV-Anlagen keinen Strom mehr produzieren, fliesst die Energie aus dem Auto zurĂŒck ins Netz. Erst wenn die Energie aufgebraucht ist, wird das lokale Stromnetz angezapft.

Ebenfalls ein wichtiger Aspekt ist die NetzstabilitĂ€t. Experten auf diesem Gebiet finden sich beim ZĂŒrcher Unternehmen «tiko». Dort behĂ€lt man das Angebot und die Nachfrage im Blick und zapft nach Bedarf Strom ab oder speist ihn ins Netz ein. Erfahre, dass Netzstabilisation in der Schweiz mittels V2X-Elektroautos technisch machbar ist.

Mobility darf im Rahmen des Projekts auf folgende Unternehmen zĂ€hlen: Automobilhersteller Honda, Software-Entwickler sun2wheel, Ladestationen-Entwickler EVTEC, Aggregatoren tiko, wissenschaftliche Begleitung durch novatlantis, in Zusammenarbeit mit der ETH. «V2X» wird durch das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts fĂŒr Energie BFE unterstĂŒtzt.

V2X-Standorte im Überblick

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Die V2X-Technologie und der erste flÀchendeckende Test sind faszinierend und richtungsweisend. Sei dabei und folge uns. Hier kannst du alles fragen, was dich interessiert. Unsere V2X-Experten antworten.

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