Elektromobilität der Zukunft: Ist die Schweiz bereit für bidirektionales Laden?

Elektroautos könnten bald Teil unserer sicheren Stromversorgung sein, indem sie überschüssige Energie ins Netz abgeben. Erfahre, wo die Schweiz in dieser Entwicklung steht. Fünf Fragen an E-Mobilitätsexperte Volker Fröse.

07.03.2024

  • Nachhaltigkeit

Herr Fröse, wie lange wird es dauern, bis sich bidirektionales Laden mit Fahrzeugen in der Schweiz durchsetzt?

Volker Fröse: «Eine Bemerkung vorab: Elektromobilität heisst nicht nur, dass Fahrzeuge einen anderen Treibstoff haben. Die Fahrzeuge werden Teil des Energiesystems. Mit dem bidirektionalen Laden steht der Schweiz ein gigantischer virtueller Speichersee zur Verfügung. Wir können es uns nicht leisten, diese Speicherkapazität nicht zu nutzen. Bidirektional wird Standard. Die Batterien sind schon lange parat dafür. Die Frage ist, wann die restliche Technik so weit sein wird. Wahrscheinlich geht es auf einmal schneller als wir denken.»

Welche regulatorischen Anpassungen sollten in der Schweiz erfolgen, damit bidirektionales Laden (abhängig von oben) zum Standard wird?

«Bevor wir den grossen «Speichersee» ans Netz bringen können, braucht es einige Anpassungen auf nationaler Ebene, die auch technische Anpassungen bedeuten. Das dauert leider, auch wenn es nervt. Zuvor werden mit dem Mantelerlass, über den wir am 9. Juni abstimmen, wichtige erste Voraussetzungen geschaffen. Neu werden lokale Zusammenschlüsse über das einzelne Haus hinaus möglich. Auch wenn E-Autos im Mantelerlass nicht explizit vorkommen, werden darin enorm wichtige Weichen gestellt.»

Ein einzigartiger Test

Dies ist der erste grossflächige Test seiner Art. Seit September 2022 bis März 2024 sind 50 «Honda e» an 40 Mobility-Standorten in der ganzen Schweiz im Einsatz. Zum ersten Mal können bidirektional-ladende Serienelektroautos flächendeckend im Mobilitätsalltag genutzt werden.
 

Das Testmodell im internationalen Vergleich:

  • Bislang gab es noch keinen vergleichbaren Test mit 50 Fahrzeugen – andere Projekte setzen auf eine deutlich geringere Anzahl
  • Flächenmässige Verteilung von 40 Standorten auf das ganze Land – bislang wurden die Tests auf nur einen Standort oder eine Stadt beschränkt
  • Das Versuchsmodell setzt auf zertifizierte Serienprodukte im Normalbetrieb (Ladestation und Fahrzeug auf CCS-Basis) – keine geschulten Benutzer, Laborbetrieb oder Prototypen
  • Die Stromflexibilität wird gleichzeitig drei verschiedenen Abnehmern angeboten (Netzregulation, lokale EVU und ZEV) – bislang wurde immer nur mit einem Abnehmer getestet

Wer sollte das bidirektionale Laden mit Fahrzeugen vorantreiben - eher die Hersteller, Importeure, die Energieversorgungsunternehmen, Private, die Städte, die Kantone oder der Bund?

«Jede und jeder kann schon heute im Kleinen beginnen. Mit «Vehicle to Home» (V2H) können wir Fotovoltaik-Strom mit dem Elektroauto in die Nacht ‹retten›. Das lohnt sich, weil die Batterie gleichzeitig das Auto ist. Innerhalb eines ZEV (Zusammenschluss zum Eigenverbrauch) funktioniert das schon. Jetzt braucht es mehr Autos, die das bidirektionale Laden erlauben. Renault und VW haben neue Modelle angekündigt, aus China können wir Überraschungen erwarten. In der Folge werden auch die Ladestationen günstiger. Ich finde es wichtig, dass dann die Flottenbetreiber vorzeigen, dass es geht. Das schafft Vertrauen.»

Elektrizitätsunternehmen treten derzeit in verschiedenen Rollen auf dem Markt auf, z.B. in der Rolle als Ausbauer von Ladeinfrastrukturen, als Verteilnetzbetreiber, jüngst als Carsharing-Anbieter. Wie beurteilen Sie die Situation?

«Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind in einer komfortablen Lage: Als öffentliche Unternehmen mit garantierten Einnahmen und langfristigen Amortisationszeiträumen können sie viel ausprobieren und Risiken eingehen. Das war in der Startphase der E-Mobilität durchaus sinnvoll, weil sonst kaum jemand in Ladestationen investieren konnte. Ich meine aber, dass sich die öffentliche Hand zurückhalten oder sogar zurückziehen soll, wenn private Anbieter diese Leistungen erbringen. Sonst entsteht ein Ungleichgewicht. Es kann und darf nicht sein, dass Stromunternehmen im Besitz der öffentlichen Hand private Anbieter konkurrieren.»

Kann es in der Folge der Elektrifizierung zur missbräuchlichen Nutzung von Strukturen im Markt kommen? Mobility verfügt nicht über die gleich langen Spiesse wie sich im Staatsbesitz befindliche Konzerne. Wird das für Mobility zu einem Problem?

«Definitiv! Staatliche Unternehmen haben in der Regel einen gesetzlichen Auftrag, der ihr Tätigkeitsgebiet regelt. Dieser Auftrag wird oft sehr gutmütig ausgelegt. Solange es keine private Konkurrenz gibt, ist das durchaus sinnvoll und nutzt der Öffentlichkeit. Leider fällt es den Staatsbetrieben anschliessend schwer, sich aus dem Wettbewerb zurückzuziehen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Aus unternehmerischer Sicht ist das nicht schön, da man sich etwas aufgebaut hat. Aber dieser Aufbau basiert auf öffentlichen Geldern und bedeutet einen erheblichen Vorteil. Wenn ein Staatsbetrieb Angebote schafft, die bereits gut am Markt existieren, wo kein Monopolproblem besteht, ist das aus meiner Sicht ein No-Go.»



Mit Volker Fröse gesprochen hat Alexandra Stäuble.
Quelle Portrait Volker Fröse: ZFV

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