Leben unterwegs

Isabella Schulz und Rebekka Bünter sind von einer 5,5-Zimmerwohnung in einen kleinen Bus gezogen. Ist weniger mehr? Ja, finden die beiden.

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Die Telefonverbindung steht, ein Frauengesicht unter dunklen Locken taucht am Bildschirm auf. Hinter ihr steht ein kleiner weisser Reisebus an einem Strand in der Abendsonne, derzeit in Marina di Modica in Sizilien. Dieser Bus ist aber mehr als ein Urlaubsgefährt, er ist ein Zuhause.

«Schau!», sagt Rebekka Bünter, während sie begeistert die digitale Hausführung beginnt: eine kleine Duschkabine mit WC, ein Bett, Klappbänke, zwei Herdplatten. Der Bus ist klein, kleiner als ein durchschnittlicher Reisebus oder ein Wohnmobil. Das sei aber praktisch: Weil man damit auch gut durch Städte und Gassen komme und immer noch gut parken könne. Währenddessen richtet Isabella Schulz draussen auf einem Klapptisch den Apéritif her: Frischer Schafricotta und Oliven, dazu ein Glas Rotwein. «Der Luxus an Bord geht weiter», sagt sie grinsend.

« So lange, wie es uns Freude macht. »

Aus der Routine ausgebrochen

Der Entscheid, ihre 5,5-Zimmerwohnung aufzugeben, um auf fahrenden 6 Quadratmetern zu Hause zu sein, war ein gewagter Entscheid. Aber für das Paar der einzig richtige. Er fiel bereits 2019. «Wir wollten das Festgefahrene, die Routine nicht mehr», so Rebekka. Vom Umzug bis zum Auswandern stand für eine Weile lang alles zur Debatte. Nach einer Reise in einem bewohnbaren Bus aber wussten beide: Dieses Gefühl von Freiheit und Naturnähe sollte nicht nur ein Feriengefühl bleiben, sondern zum tatsächlichen Lebensstil werden.

Und so wurden Dinge weggegeben und Möbel eingelagert. Der angeschaffte Toyota Hilux wurde geländegängig gemacht und mit einer Kabine mit aufklappbarem Dach versehen, damit man darin auch stehen kann. Auf dem Dach wurden Solarpanels für die eigene Stromversorgung installiert. «Der Strom reicht für Licht, Kühlschrank, Boiler, Steuerung von Heizung und Herd, Musikgenuss über die Naturschallwandler und unsere Laptops. Bei vollem Sonnenlicht haben wir ruckzuck geladene Batterien und ausserdem warmes Wasser zum Duschen und Abwaschen», freut sich Rebekka.

Ein Leben im digitalen Nomadentum

Ihr fahrendes Heim ist auch gleichzeitig ihr Büro: Dank Europatarif ist per Handy-Hotspot für W-LAN gesorgt. «Wir müssen halt schauen, dass wir da, wo wir gerade stehen, eine gute Netzabdeckung haben. Falls nicht, fahren wir einfach ein bisschen weiter. Und siehe da: Wir können so grösstenteils von unterwegs arbeiten», schildert Isabella.

Sie hat ihre eigene Praxis als Hör-Balance-Trainerin im Kanton Luzern beim Umzug in den Bus aufgegeben. Wenn die beiden in der Schweiz sind, mietet sie sich nun stundenweise in eine andere Praxis ein. Seit Covid konzentriert sie sich aber vermehrt auf Online-Beratungen.

Rebekka ist Theaterschaffende und konnte wegen Covid länger nicht auf Bühnen oder an privaten Anlässen auftreten. Stattdessen realisiert sie von unterwegs Kurztexte, Theaterstücke und Radiobeiträge. Beide bieten zudem per Zoom Coachings an. Ein Digital-Nomad-Traum? «Die Digitalisierung unterstützt natürlich unseren Lebensstil, wir können digital arbeiten und Rechnungen online zahlen», so Rebekka. Der Fakt, dass sie nun weniger Fixkosten hätten, führe natürlich auch dazu, weniger Einkommensdruck zu haben.

« Dieser Lebensstil so nahe an der Natur macht uns sehr zufrieden und entspannt. »

Mit der Natur verbunden

Zwei Gläser klirren aneinander, das Dunkelrot von Wein leuchtet übers Handy-Display. Rebekka und Isabella feiern ihr neues Leben – jeden Tag. «In der Natur zu sein, ist für uns das Schönste. Wenn es Abend wird, suchen wir uns ein Plätzchen, in der Schweiz meist an einem Waldrand. Sobald wir den Campingtisch und die Stühle auspacken, ist Feriengefühl», lacht Rebekka. «Dieser Lebensstil so nahe an der Natur macht uns sehr zufrieden und entspannt», pflichtet Isabella bei. Das Leben fühle sich viel natürlicher an. «Ich mag schon gar nicht mehr in Häusern schlafen», wirft Rebekka ein. Wenn sie einmal eine Stadt erkunden wollen, tun sie das darum mit den zwei Klappfahrrädern, die sie im Bus dabeihaben. So können sie am Abend wieder zu ihrem geparkten Zuhause am Waldrand zurückfahren – und mit den Geräuschen des Waldes einschlafen.

Drei Messer, drei Gabeln

Doch geht das, was so idyllisch klingt, nicht auch mit unangenehmen Beschränkungen einher? Die beiden verneinen. «Wir haben nie das Gefühl, irgendetwas zu verpassen. Und Begegnungen haben wir auch viele, sogar mehr als vorher, als wir noch im Haus lebten, weil die Leute stehenbleiben und sich für uns und den Bus interessieren.» Ihr neuer Lebensstil zeige, dass es auch im Einfachen und Kleinen gehe: «Wenn uns einmal mehr als ein Freund gleichzeitig besucht, muss er oder sie eben ihr eigenes Besteck mitbringen», lacht Rebekka. Die einzigen schwierigen Momente seien, wenn es abends wegen eines Fahr- oder Parkverbots partout nicht klappen wolle mit einem Schlafplatz.

Gerade ist aber alles bestens. Die beiden fühlen sich wohl an ihrem sizilianischen Strand. «Dank unserer Mobilität müssen wir uns nicht entscheiden, ob wir in den Bergen oder am Meer leben wollen, in einer Stadt oder auf dem Land. Wir können überall hin. Das ist schon wunderbar», sinniert Rebekka.

Bewussterer Konsum

Ein weiteres Plus sei der automatisch nachhaltigere Lebensstil: «Wir gehen sicher noch ökologischer mit den Dingen um, so brauchen wir z.B. sehr wenig Wasser», so Isabella. Der Duschboiler umfasst gerade mal 6 Liter, die Kleider waschen die beiden entweder von Hand im Fluss mit Naturseife, unterwegs bei Leuten oder in einem Waschsalon. Und wenn der Strom vom eigenen Solarpanel komme, greife man auch nicht mehr ständig zu Stromfressern wie dem Wasserkocher. «Die Situation zwingt uns ausserdem, möglichst nichts Neues einzukaufen ausser dem, was wir gerade wirklich brauchen. Und wir merken, wie wenig das ist», so Isabella.

Die Sonne sinkt tiefer, die Vögel pfeifen ihr Abendlied über das Wellenrauschen am Strand. In die Schweiz zieht es das Paar momentan noch nicht zurück, Ihren Lebensstil werden sie weiterführen – «so lange, wie es uns Freude macht», so Rebekka. Das könnte noch eine Weile dauern.

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