Akkus für Elektroautos sind nachhaltiger als gedacht

«Gas geben bei der Kreislaufwirtschaft, abbremsen bei der Mobilität»

Auspuff ade − E-Autos sind emissionslos unterwegs. Doch wie sieht es mit der Energiebilanz und der Nachhaltigkeit bei der Produktion ihrer Hochleistungs-Akkus aus? Wir fragen den Ökobilanzexperten Roland Hischier.

26.05.2021

  • Zukunft

  • Nachhaltigkeit

Roland Hischier, was genau be- oder entlastet die Ökobilanz von E-Autos bzw. der Akkus?

Die ökologische Bilanz eines Fahrzeuges umfasst den Ressourcenverbrauch und die Emissionen von Herstellung, Nutzung und Entsorgung des Fahrzeuges und all seiner Bestandteile, inklusive Batterie bei einem E-Fahrzeug. In all diesen Schritten wird Energie benötigt, zum Beispiel in Form von Strom. Die Produktionsweise dieser Energie beeinflusst das Resultat einer solchen Ökobilanz massgeblich.

« Die Ökobilanz von Autos hängt stark von der Art der Energieproduktion ab. »

Wo steht die Industrie heute?

Wenn wir einen Benziner mit einem Elektrofahrzeug vergleichen, zeigen sich in jeder Lebensphase Unterschiede. Die Herstellung des E-Autos ist aufgrund der grossen Batterie sicherlich mit mehr Energieverbrauch und damit auch einer höheren Belastung verbunden als beim Benziner. Dies hat auch die Industrie verstanden. Die Unternehmen gehen heute mehr und mehr dazu über, hier eigene Wege für mehr Ökologie und damit für bessere Ökobilanzen zu gehen. Beispiele sind die Installation von Photovoltaik-Anlagen direkt auf den Fabriken oder der Bezug von Ökostrom, um damit die CO2-Intensität der eigenen Produktion zu senken.

Wie „sauber“ ist Europa punkto Stromerzeugung?

Die CO2-Intensität des Strommixes variiert in Europa sehr stark von einem Land zum anderen. Sie hängt jeweils vom Kraftwerkspark ab, mit welchem der Strom produziert wird – und reicht von 23 Gramm/kWh in Norwegen, wo Strom praktisch nur mit Wasserkraft erzeugt wird, über 100 Gramm/kWh in der Schweiz bis hin zu mehr als 1'000 Gramm/kWh in Polen, das Strom fast ausschliesslich in Kohlekraftwerken erzeugt. Die Zunahme von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne wird in den kommenden Jahren zu einer weiteren Senkung der CO2-Intensität des Stromes führen, sofern damit Strom aus fossilen Kraftwerken ersetzt wird.

«Erst nach 60‘000 gefahrenen Kilometern fährt ein Stromer CO2-sparsamer als ein Benziner», sagt das Fraunhofer-Institut. Der Kassensturz hingegen kommt auf eine Zahl von rund 30‘000 Kilometern für einen E-wagen der Mittelklasse. Ihre Einschätzung?

Das kann man nicht einfach mit einer Zahl beantworten. Hier spielen diverse Faktoren eine Rolle, für welche das Fraunhofer-Institut und der Kassensturz offensichtlich unterschiedliche Annahmen getroffen haben. Wie schon gesagt ist die Herstellung der E-Batterie mit Umweltbelastungen und damit COEmissionen verbunden, die beim Benziner so nicht anfallen. Umgekehrt verursacht ein Benziner beim Fahren direkte CO2-Emissionen, nicht jedoch das E-Fahrzeug. Beim Betrieb des E-Autos hängen die indirekten, nicht vom Fahrzeug selber verursachten CO2-Emissionen davon ab, mit welchem Kraftwerksmix der Batterie-Strom erzeugt wird. Und dieser sieht für Deutschland und die Schweiz ganz anders aus, was auch die unterschiedlichen Aussagen oben erklärt. Hinter den Resultaten aus dem Kassensturz stehen Daten, die durch das Paul-Scherrer Institut zusammengetragen wurden. Sie bilden den Sachverhalt für die Schweiz ab, also die Batterie-Aufladung mit dem durchschnittlichen Schweizer Strommix.

« Lithium und Kobalt gelten als das neue Öl. »

Wie kritisch ist die Förderung des Akku-Rohstoffs Lithium?

Aufgrund seiner wichtigen Rolle für moderne Technologien ist Lithium auf der Liste kritischer Rohstoffe der Europäischen Union aufgeführt. Weltweit sind heute Südamerika mit seinen Salzseen sowie Australien die primären Lithium-Produzenten. Die Strategie in Europa und damit auch der Schweiz muss es in den kommenden Jahren sein, effiziente Recycling-Prozesse auf die Beine zu stellen, um diese Art von Material möglichst lange im Kreislauf halten zu können.

Und wie sieht‘s mit Kobalt aus?

Auch Kobalt ist auf dieser Liste der kritischen Rohstoffe. Sein Hauptfördergebiet ist die Demokratische Republik Kongo, wo es teilweise unter sehr schlechten Arbeitsbedingungen gefördert wird. Kobalt gehört deshalb zu den sogenannten Konfliktmineralien. Deshalb muss hier noch viel mehr die Devise gelten, dieses Material am Ende des Lebenszyklusmöglichst vollständig zu rezyklieren und damit im Kreislauf zu halten.

« Seltene Materialien im Kreislauf zu halten, ist ein unverzichtbares Gebot für die Zukunft. »

Sind Alternativen für Lithium und Kobalt in Sicht?

Im Bereich der Batterien werden aktuell weltweit grosse Summen in die Entwicklung neuer Systeme gesteckt. Wichtige Aspekte sind dabei neben einer weiteren Erhöhung der Energiedichte pro Gewicht die Langlebigkeit, die bessere Rezyklierbarkeit, aber auch der Preis einer Batterie. Kobalt ist eines der teuren Materialien in Batterien. Hier wird deshalb alles versucht, die Menge weiter zu reduzieren oder den Rohrstoff durch unproblematischere Materialien wie Nickel, Mangan und Aluminium zu ersetzen.

Wie ist der Stand bei seltenen Erden? Und wie definiert man das überhaupt genau?

Die seltenen Erden, oder besser gesagt die Metalle der seltenen Erden, sind eine Gruppe von 17 Metallen im Periodensystem, die sogenannte «3. Nebengruppe» sowie die Lanthanoide. Viele dieser Elemente werden für moderne Technologien benötigt, beispielsweise Neodym für Dauermagnete von Elektromotoren. Somit sind sie von grosser Bedeutung. Ihre Vorkommen liegen zu einem grossen Teil in China, welches für  mehr als drei Viertel der Produktion dieses und vieler Metalle verantwortlich ist. Das hat dazu geführt, dass sie zum Beispiel von der EU zu den kritischen Rohstoffen gezählt werden. Die Gesellschaft ist gefordert, mit diesen Materialien viel verantwortungsvoller umzugehen und sie so einzusetzen, dass sie möglichst lange genutzt respektive am Ende möglichst vollständig wieder rezykliert werden können.

Ihre Zukunftseinschätzung unter dem Strich? Und was sagen Sie zur Mobility-Strategie, bis spätestens 2030 komplett auf E-Autos umzustellen?

E-Fahrzeuge erlauben es uns, pro gefahrenen Kilometer mit weniger CO2-Belastung und damit weniger Umweltbelastung mobil zu sein als mit einem Benziner. Allerdings dürfen wir den Fokus nicht nur auf diese CO2-Intensität pro Kilometer beschränken. Themen wie zum Beispiel die limitierte Verfügbarkeit kritischer Rohstoffe verlangen danach, dass wir uns als Gesellschaft die Frage nach der «erlaubten Menge» an Mobilität deutlich breiter stellen müssen. Das in doppelter Hinsicht: Wir müssen zusätzliche Umweltaspekte zum CO2 berücksichtigen und wir müssen mehr als nur die Mobilität in diese Betrachtung einbeziehen. Denn im Endeffekt haben wir für die Gesamtheit unserer Aktivitäten nur eine Quelle zur Verfügung – unseren Planeten Erde.

Mobility ist damit strategisch auf dem richtigen Weg, weil sie die erwähnten Pluspunkte der E-Mobilität umsetzt. Gleichzeitig gehört Mobility mit ihrem Geschäftsmodell zur sogenannten «shared economy» mit dem Ansatz einer geteilten Ressourcen-Nutzung.

Zur Person

Roland Hischier ist promovierter Umweltwissenschaftler der ETH und leitet die Forschungsgruppe zur Weiterentwicklung des Instruments der Ökobilanz in der Abteilung Technologie und Gesellschaft der Empa in St. Gallen.

Die Abteilung Technologie und Gesellschaft schafft und vermittelt Wissen für einen Übergang zu einer nachhaltigen Gesellschaft, u.a. durch die Analyse von neuen Materialien und Technologien hinsichtlich ihrer ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Mehr Information zu den Tätigkeiten dieser Empa-Abteilung finden sich unter https://www.empa.ch/web/s506/overview 

 

Dr. Roland Hischier, Wissenschaftlicher Gruppenleiter in der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» der Empa St. Gallen
Dr. Roland Hischier, Wissenschaftlicher Gruppenleiter in der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» der Empa St. Gallen

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